NEUE WELLEN


1960er- und 1970er-JAHRE

 

Die 1960er Jahre waren die Zeit des Niedergangs des Golden Age of Hollywood. Die Abschaffung des Hays Code markiert das Ende des klassischen Hollywoodkinos, das mit seinen bewährten Rezepten zunehmend in die Krise geriet. Berühmte Regisseure wie Alfred Hitchcock oder John Ford hatten ihr Hauptwerk abgeschlossen, und die legendären Golden-Age-Stars kamen in die Jahre (Cary Grant, John Wayne) oder waren tot (Humphrey Bogart, Gary Cooper). Die großen Studios wurden von alten Männern wie Jack Warner geleitet, die teils seit der Stummfilmzeit ihren Posten bekleideten und keinen Kontakt mehr mit der gesellschaftlichen Realität hatten. Immer mehr Filme wurden am Publikum vorbei produziert, und in einem verzweifelten Versuch, ihre Zuschauer zurückzugewinnen, pumpten die Studios Mitte der 1960er Jahre enorme Summen in künstlerisch weniger bedeutende Monumentalfilme und Musicals.

In dieser Zeit entwickeln sich in Europa neue kreative Filmströmungen. Dort bekam der Regisseur eine zunehmende Bedeutung und wurde zunehmend auch als Drehbuchautor bedeutsam. Dies war bis auf wenige Ausnahmen (Ernst Lubitsch, Billy Wilder, Otto Preminger, Alfred Hitchcock) im Hollywoodkino der 1950er und frühen 1960er Jahre nicht der Fall.

Die französische Nouvelle Vague beginnt als Epoche des Autorenfilms in den späten 1950er Jahre mit Außer Atem von Jean-Luc Godard. Die Filme dieser Epoche basieren auf der Theorie der politique des auteurs, die von einer Gruppe von Kritikern, die für die Filmzeitschrift Cahiers du cinéma schrieben, entwickelt wurde. Sie forderten eine klare künstlerische Autonomie für den Regisseur, und richten sich gegen die tradition de la qualité des französischen Kinos. Zu diesen Kritikern gehörte neben Claude Chabrol, Eric Rohmer, Jacques Rivette und Jean-Luc Godard auch François Truffaut, der mit den Filmen "Sie küssten und sie schlugen ihn" (1959) und "Jules und Jim" (1962) die ersten großen Publikumserfolge hatte.

Eine englische Parallele zur Nouvelle Vague stellt in gewisser Weise das Free Cinema dar, das in den frühen 1960er Jahren Konjunktur hatte. Die Filme erzählten meist Geschichten aus der englischen Arbeiterklasse und machten so auf soziale Missstände aufmerksam. Bekannt geworden sind vor allem Verfilmungen des Autors Alan Sillitoe.

Auch in Lateinamerika erwuchs ein neuer Filmstil, der seinen Ursprung in dem Kampf der Bevölkerung gegen politische und wirtschaftliche Unterdrückung hatte, das so genannte Cinema Novo. Kunstschaffende verstanden sich in den 1960er Jahren oft als politische Akteure, und so entstanden nicht nur in Lateinamerika eine Reihe von politisch relevanten Filmen: In vielen osteuropäischen Länder erhoben sich Filmemacher gegen die diktatorischen Regimes.

Der deutsche Film wurde ebenfalls revolutioniert: Eine Gruppe junger Filmemacher verschrieb sich stilistischen und inhaltlichen Neuerungen im Film. Zum Einen wurden althergebrachte Stilkonventionen über den Haufen geworfen, zum Anderen behandelten die neuen Filme oft politisch brisante Themen. Die einflussreichsten Regisseure des Neuen Deutschen Films waren Werner Herzog, Volker Schlöndorff und Rainer Werner Fassbinder.

Der US-amerikanische Film, folgte, wenn auch etwas später, dieser Epoche der Erneuerung mit dem New-Hollywood-Kino. Als Startpunkt dieser Epoche gelten Arthur Penns "Bonnie und Clyde" (1967) und Mike Nichols’ "Die Reifeprüfung" (1967). Das amerikanische Kino wird politischer, gesellschaftskritischer und beschäftigt sich zunehmend mit gesellschaftlichen Realitäten wie Sex und Gewalt.